Grußwort von Helmuth Hilgers

60 Jahre arsVitha: 60 Jahre Risiko

Liebe Leserinnen und Leser!

Diese ersten sechzig Jahre waren beileibe nicht immer Zuckerlecken. Beispiele gefällig?

Plädierte Karl Valentin (1883 – 1948) noch augenzwinkernd in einem seiner legendären Monologe „Zwangsvorstellungen“ in den 1920er Jahren für die allgemeine Einführung des staatlichen Theaterzwangs, um die leeren Theater besser füllen zu können, so verbot im November 1957 der beigeordnete Bezirkskommissar Henri Hoen eigenmächtig, eiskalt und kurz vor der Aufführung die allererste Theaterveranstaltung des Volksbildungswerkes (VBW) nach seiner im Januar des gleichen Jahres erfolgten Gründung. Ironie des Schicksals.

In den VBW-Anfängen kontrollierten übereifrige, belgische Zöllner die Entnazifizierung der Mitglieder der Landesbühne Rheinland-Pfalz so lange am Grenzübergang Steinebrück, bis der geplante Aufführungstermin im Saal Even längst verstrichen war. Daselbst verharrten unterdessen die zahlreich erschienenen Zuschauer geduldig, indem sie auf Godot warteten.

Zu den ersten, nichtuntersagten Theateraufführungen gesellten sich kurz darauf auch jedes Mal ungeladene Gäste, und zwar die belgische Staatssicherheit in Zivil mit dem Ziel, etwaige so genannte Wiederbetätigungsbestrebungen in Sankt Vith noch im Keim zu ersticken. Ob sie zudem gültige Eintrittstickets besaßen, weiß heute niemand mehr so genau. Bereits hier entpuppte sich die Kultur als avantgardistische Möglichkeit bei der derzeitigen Terrorbekämpfung. Sicher ist eben sicher.

In Ermangelung öffentlicher Zuschüsse mussten in den ersten Jahren immer wieder Verwaltungsratsmitglieder sehr viel von ihrem privaten Geld vorstrecken, ohne zu wissen, ob sie es jemals wiedersähen. Laufende Rechnungen mussten halt beglichen werden.

Im Februar 1963 konnte die Operette „Der Kaiserwalzer“ nicht über die Bühne gehen, weil das VBW bei der Vertragsunterzeichnung professionellen Betrügern aufgesessen war. Diese waren und blieben samt einem fetten finanziellen Vorschuss für immer verschwunden, während große Transparente in der Hauptstraße das Ereignis bewarben. Sic transit gloria mundi.

Nur die Wenigsten konnten im Dezember 1982 ahnen, dass nach dem allerersten Auftritt der Lütticher Philharmoniker im Sportzentrum an der Rodter Straße (bei rein zufälligerweise guter Akustik) weitere jährliche OPL-Konzerte im Nachhinein zu einem reinen Selbstläufer werden würden.

1983 erntete das Theater der Lütticher Germanisten im Amphitheater des Sart-Tilman mit seiner neuen Woyzeck-Inszenierung Stürme der Begeisterung. Die gleiche Aufführung als VBW-Veranstaltung wurde im Sportzentrum vom Publikum vermutlich wegen seiner eigenen unzureichenden Seh-Gewohnheiten schwer verrissen.

1989 versuchten besonders eifrige Christen, die Filmvorführung „Die letzte Versuchung“ von Martin Scorsese mit allen möglichen Mitteln zu verhindern; ohne Erfolg. Während der Vorführung fand dann allerdings vor der Tür unseres ehrwürdigen Kinos Corso eine unvermeidbare Freiluft-Andacht statt, so zu sagen als Filmalternative.

Rino Telaros uns „zuverlässig“ vermittelte Ausstellung im Sitzungssaal des Rathauses entpuppte sich 2001 sehr rasch als eine wahre Katastrophe. Der Artist beschränkte sich im eigenen Strahlen über seine infantilen Malereien.

Die übrigen 99% unserer Veranstaltungen waren im Übrigen immer erfolgreich. Nach über 37 Jahren Mitgliedschaft erfüllt auch das mich mit nicht wenig Stolz. Und das macht mir Lust auf mehr. Kultur ist in der Tat ein hochwertiges, lebenswichtiges Lebensmittel mit meistens uneingeschränkter Haltbarkeitsdauer.

Helmuth Hilgers
Vorsitzender