Festrede von Helmuth Hilgers

60 Jahre Kulturanimation in St. Vith

Ein Eiertanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste,
erinnern Sie sich noch?

Gesungen: „Da preist man uns das Leben großer Geister
Das lebt mit einem Buch und nichts im Magen
In einer Hütte, daran Ratten nagen.
Mir bleibe man vom Leib mit solchem Kleister!
Das simple Leben lebe, wer da mag!
Ich habe (unter uns) genug davon
Kein Vögelchen, von hier bis Babylon
Vertrüge diese Kost nur einen Tag.
Was hilft da Freiheit, es ist nicht bequem
Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm.“

Mit dieser „Ballade vom angenehmen Leben“ persiflierte die Hauptfigur Macheath in Bertolt Brechts und Kurt Weills legendärer „Dreigroschenoper“ bei ihrer Erstaufführung vor genau 89 Jahren, nämlich am 31. August 1928, im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin unter anderem die kulturellen Ansprüche, sowohl die des Großbürgertums wie die des Kleinbürgertums. Nach der Aufführung frohlockte halb Berlin, während seine andere Hälfte „Übel“ nahm. Vor 35 Jahren übrigens, 1982 also, zu unserem 25. Geburtstag hatten wir das Werk im Sportzentrum an der Rodter Straße vor über 700 Zuschauern. Das nur am Rande.

Somit wurde die Kulturanimation der 1920er Jahre schon gleich mal einem sehr wichtigen Anspruch gerecht, nämlich ihrer Sorge und ihrem Bemühen um die Konfrontation der Ideen und Meinungen auf Ebene des Publikums.

Seit den frühen 1980er Jahren passierte das Gleiche auch beim Volksbildungswerk Sankt Vith, und zwar nach erfolgter erster Verjüngung in den Reihen seines Verwaltungsrates. Fortan scheute es sich außerdem nicht, seine Aufgabe im Rahmen der Kulturanimation sogar als das „Spiel des Narren gegen den König“ zu betrachten. Zumindest das war zu diesem Zeitpunkt Neuland in unserer Gegend, beziehungsweise eine neue Form unserer Kulturpolitik.

Aber auch die Forderung nach Demokratisierung der Kultur, nach ihrer allgemeinen Zugänglichkeit befindet sich in dem erwähnten Lied. arsVitha möchte diese mit sozialen Preisen und einem möglichst breit gefächerten Angebot verwirklichen. Auch das ist in unseren Augen vernünftige Kulturpolitik.

Ohne allerdings das Engagement der Altvorderen, der unerschrockenen Gründungsmitglieder wäre das alles eben seit 1957 nicht so selbstverständlich gewesen, wie es heute den Anschein zu erwecken vermag. Ihnen gilt heute unsere bedingungslose und besondere Verneigung. Es waren ihrer 16: Paul Bijvoet, Hubert Funk, Wim Geelen, Nikolaus Giebels, Johann Huppertz, Nikolaus Kreins, Yvonne Kreit, Robert Linden, Michel Louis, Richard Rauw, Josef Scheffen, Klaus Schulzen, Richard Schwall, Bruno Thomé, Leo Veithen und Ernst von Frühbuss.

Müsste man nun die vergangenen sechzig Jahre in Perioden einteilen, so würde ich sagen, dass die ersten zwanzig Jahre zunächst dem Aufbau dienten mit nichts als Theater und Filmforum im Angebot. Die nächsten zwanzig Jahre waren nichts als Aufbruch nach neuen Ufern und neuen Sparten, nachdem die Deutschsprachige Gemeinschaft ihre Autonomie angetan bekommen hatte. Und die jüngsten zwanzig Jahre waren ausgestattet von der Entwicklung hin zur Professionalisierung der kulturellen Akteure, Hersteller wie auch Veranstalter, das alles gipfelnd in der parlamentarischen Verabschiedung Ende 2013 des so genannten Kulturförderdekretes, und das schon vierzig Jahre nach Erhalt der Autonomie.

Um uns so gut wie eben nur möglich auf die Zukunft vorzubereiten und im Sinne der Nachhaltigkeit, haben wir abermals seit etwa zehn Jahren mit der Aufnahme jüngerer Mitglieder in den Reihen unseres Verwaltungsrates begonnen. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund der allgemeinen Befürchtung, dass die Allgemeinheit uns ansonsten die mögliche Kritik unterbreiten könnte, wir seien an „Murksismus-Senilismus“ erkrankt.

Damit aber nicht genug. Unsere Zukunft möchten wir auch durch die stetige Entwicklung neuer Formate gestalten. Wir würden liebend gerne mehr Nischenprogramme anbieten, wenn das Kulturförderdekret uns dafür nicht ungesäumt abstrafen würde in Ermangelung ausreichender Zuschauerzahlen. Wir suchen neue Kunstkinokonzepte, die seltsamerweise und aus unerfindlichen Gründen eh nicht durch das besagte Dekret anerkannt werden können; das nur am Rande.

Einen sechszigsten Geburtstag zu feiern ist nicht zuletzt auch ein willkommender Anlass, ein besonderes Geburtstagsprogramm auf die Beine zu stellen, das von Höhepunkten gerade nur so wimmelt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste, tun Sie sich was Gutes und besuchen und erleben Sie am besten alle unsere vortrefflichen Geburtstagsveranstaltungen in den kommenden Monaten! Sollten diese Ihnen etwa nicht zusagen, dann sagen Sie es uns, sollten diese Ihnen gefallen, dann sagen Sie es ruhig weiter.

Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ich zum Schluss komme, Ihnen noch ein Bibelzitat aus dem Buche „Genesis“ beziehungsweise aus dem Johannesevangelium mit auf den Weg geben:

„Im Anfang war die Kultur, und dann kam ihr Förderdekret.“

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Sankt Vith – Triangel – Kleiner Saal, den 1. September 2017
Helmuth Hilgers
Vorsitzender